aus „100 Jahre Moch Figuren“, Festschrift zum 100-jährigen Bestehen 2007

Das Warenhaus als Beitrag zur ökologisch ausgerichteten Innenstadt

von Eberhard Gebauer

Wenn es die Idee der Stadt nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Das Miteinander von Spiel und Sport, Kirche, Kunst und Kultur, Handel und Hotellerie, Gartencafés und Gastronomie, Shopping und Dienstleistung, Wohnen und Arbeiten, Rat- und Ärztehaus, Messen und Märkten schafft Mannigfaltigkeit und Lebensqualität, Attraktivität und Zentralität.

Innenstädte sind Grundlage von Lebensqualität, gemeinschaftlichen Zusammenlebens und sozialer Beziehungen. Dieses auch für die kommenden Generationen zu erhalten, ist ein Gebot über die Stunde hinaus.

Eine Stadt kann auf ihre Stärken von Original und Persönlichkeit, von Charme und Geschichte bauen. Sie besitzt ein großes und gegen Nachahmung geschütztes Potenzial. Eine Stadt ist nichts Synthetisches. Eine Stadt steht mitten im Leben, mit all ihren Höhen und Tiefen, mit Kanten und Konturen, mit Stärken und Schwächen, Ihr ist die Aufgabe gegeben, eine Balance zu schaffen zwischen Starken und Schwachen, zwischen Einheimischen und Zugewanderten, zwischen jung und alt.

Die Innenstadt zieht die Menschen an. In Straßen und auf Plätzen, die jeder kennt, aber auch an außergewöhnlichen Orten, die den besonderen Charme einer Stadt ausmachen. Hier ist der Ort für Begegnungen, Veranstaltungen, für Verweilen, Erleben, Mitmachen und Wohlfühlen für Jung und Alt. Dynamik gesellt sich mit Gemütlichkeit, Tradition mit dem Willen zur Zukunft. Regionales, Ortstypisches und Urtümliches sind ebenso greifbar wie ein weltoffenes Selbstverständnis. Die Stadt wird zum Spiegelbild des gesellschaftlichen Lebens.

Es ist ein Kreisel des Erfolges: Die Kultur profitiert vom Shopping, das Shopping von der Freizeit und die Freizeit wiederum von der Kultur. Sie schaffen Frequenz und nutzen sie zugleich. Die Bündelung der Kräfte macht die Stadt stark im Wettbewerb der Ideen. Erfolg hat die Stadt mit den besten und ungewöhnlichsten Ideen. Erfolg wiederum macht Mut für neue Ideen. Fassaden, Schaufenster, Werbeanlagen, kurzum das gesamte städtische Ambiente muss stimmen und gut gestimmt sein wie eine Big Band oder ein Orchester.  Die Stadt gewinnt, die von sich sagen kann: „Hier spielt die Musik“.

Events sind das spielerische Sahnehäubchen einer Stadt. Ob Mitternachts-Shopping, Lange Nacht der Museen, längster Mode-Cat-Walk der Welt über Hafen- oder Sommerfeste, Fisch- oder Büchermärkte, bis hin zu Skulpturenrundgängen oder Schaufensterwettbewerben – eine Stadt, die ihre Straßen und Plätze aufblühen lässt, hat auch für die Zukunft blühende Aussichten und immer wieder Grund feste zu feiern.

Feste feiern, zeichnet Lebensfreude aus. Wenn eine Stadt Jubiläen und Geburtstage zelebriert, dann sind Herz und Seele angesprochen. Eine alle berührender Anlass, das Erreichte stolz, stimmungsvoll und selbstbewusst, fröhlich und frohgemut zu feiern – auch gern bis in die Puppen.

Das Jubiläum eines Puppen- und Figurenmachers ist wie der Blick in ein Schaufenster voll Licht und Glanz mit Blick zurück und Blick nach vorn. Festliche Stimmung bei den Mode-Machern von Dr. Moch. Sie können stolz sein auf ihre Leistung. Ohne sie würde der Blick oft ins Leere gehen. Eine gute Figur zieht den Betrachter in ihren Bann. Vor den Glasscheiben der Fenster-Läden stehen Frauen, Männer und Kinder und betrachten die modisch gekleideten Schaufensterpuppen. Sie nehmen sich die Zeit zu überlegen, was ihnen gut stehen könnte. Lernprozesse der ganz besonders liebenswerten Art. Das Schaufenster als Aussichtspunkt für neue, schöne Ein- und Aussichten, es gibt den Blick frei für neue Ansichten und verschafft gute Sicht.

Schöne und seelenvolle Schaufenster-Puppen wecken Phantasie, Sehnsüchte und Träume. Sie sorgen dafür, dass der Handel aber auch die Stadt als Raum und Ort des Konsums eine gute Figur abgeben und behalten kann.

Schaufensterfiguren sind Ruhepole im quirligen Stadtgeschehen. „Oh Augenblick, verweile doch, du bist so schön“ – was Goethe im Faust so stimmungsvoll als Symbiose von Schönheit und Vergänglichkeit formulierte, ist ein ewiger Traum der Menschen. Die Zeit anzuhalten, das Schöne zu bewahren über den flüchtigen Augenblick hinaus, scheint unerreichbar. Vielleicht ist das der Schlüssel zum Erfolg der Schaufensterpuppen. Wem gelingt es besser, Szenen einzufangen, Lebenssituationen darzustellen und Modestile anzubieten, als das Ensemble von Figuren im Fenster oder in den Markenshops der Handelsgeschäfte. Szenen des wahren Lebens werden eingefroren, wirken cool aber nicht kühl.

Aus den Schaufensteruppen im Fenster werden Schmetterlinge im Bauch

Die Warenhäuser haben im Orchester der Innenstadt-Akteure schon immer eine herausragende Rolle gespielt. Sie gehörten schon bald zu den Städten wie die Kirche zum Dorf.

Sie zeigen eine eigene Welt im Kleinen, wie ein Spiegelbild der Urbanität vor den Türen, die jedem offenstehen.

Bummeln und flanieren, den Alltag vergessen, die Seele baumeln lassen, kommen und gehen, schauen und staunen, lieben und lachen, Lust statt Last, kurzum leben und leben lassen. Die Menschen suchen und finden Anregungen und  Ideen für eine sinnvolle Lebensgestaltung. Modepuppen sind ein modernes Medium und Mittler zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Warenhäuser haben aufgrund ihrer herausragenden Lage und starken Einbindung in das Stadtimage einen engen Kontakt zu neuen Entwicklungen in Markt und Gesellschaft, auf die sie schnell reagieren müssen. Die Veränderung der Haushaltsgrößen, die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen, die älter werdende Bevölkerung oder auch die zunehmende Emotionalisierung der Einkaufserwartungen, all das sind Signale, die bei den Warenhäusern sehr schnell und intensiv ankommen und entsprechend zu Konsequenzen, sprich zu neuen Konzepten führen.

Die frühen Kaufhäuser der Gründungszeit wie das Bon Marché oder die Galéries Lafayette in Paris, Selfridges oder Debenhams in London, Macy´s in New York, Wertheim und Tietz in Deutschland glichen anfangs allerdings noch eher Warenlagern. Das Sortiment wurde zwar in stilvollem Ambiente präsentiert, unterstützt durch Licht, Farben und Dekor, Goldtreppen und aufwendige Architektur, aber die Ware war nach wie vor nach Produktgruppen und Abteilungen sortiert.

Mit der Veränderung der Gesellschaft haben sich auch die Warenhäuser gewandelt.

Sie sind heute weitaus mehr als „Waren“- oder auch „Kauf“häuser. Sie sind Erlebnis- und Ideenhäuser, Trendplattformen und Modebühnen, Orientierungs-, Anregungs- und Begegnungsorte. Das Warenhaus wird zur Schaubühne des kulturellen Lebens. In den Schaufenstern ist Schau-Platz für Kunst und Kommunikation, ob im KaDeWe an der Berliner Tauentzien-Straße oder in der Galeria Kaufhof in der Kölner Hohe Straße.   Die Schaufensterpuppen werden zum Blickfang und ziehen den Betrachter in ihren Bann. Das „alles-für-alle“ – Image der Warenhäuser früherer Zeiten hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt: Differenzierung war angesagt. In den Städten zeigt sich eine Renaissance der Warenhäuser. Diese richten sich in ihrer ganzen Breite der Leistungspalette konsequent auf die Erwartungen und Wünsche der Innenstadt-Besucher nach Erlebniseinkauf ein. Zudem sind sie Motoren der Stadtmarketing-Forcierung, nicht zuletzt erwachsen aus ihrer traditionellen Einsatzbereitschaft für eine Verbesserung des  städtischen Handelsumfeldes.

Ihre herausragende Rolle und die hohe Akzeptanz in der Gesellschaft ist das Ergebnis einer lebendigen und ausgefüllten Tradition, die bei Kaufhof und Karstadt über 125 Jahre, bei Breuninger in Stuttgart 100 Jahre zurück reicht. Die Tradition der großen Warenhauskultur erlebt im 21. Jahrhundert ihre Renaissance.

Die deutschen Warenhäuser können auf eine große Tradition bauen. Leonhard Tietz legte im kleinen Ostsee-Hafenstädtchen Stralsund im Alter von 30 Jahren den Grundstein für die heutige Kaufhof Warenhaus AG. Am 14. August 1879 eröffnete er zusammen mit seiner Verlobten Flora Baumann das 25 qm kleine „Garn-, Knopf-, Posamentier- und Woll-Waaren-Geschäft en gros & en détail“ in der Ossenreyerstraße 31. Tietz führte die Preisauszeichnung ein, das individuelle Aushandeln des Preises entfiel somit und auch Kredit durch Anschreiben war nicht mehr gewünscht. Die zweite größere Wurzel des Kaufhof geht auf Helmut Horten zurück, der sein Unternehmen 1936 in Duisburg begründete. 1994 kam es zur Fusion mit dem Kaufhof. Insgesamt zählen 126 Filialen einschließlich 15 Spezialhäuser unter dem Namen Sportarena zum Filialportfolio. Das von Horten 1988 in Heidelberg und Münster erstmals eingeführte Erlebnis und Warenwelten betonte Galeria-Konzept ist inzwischen fast in allen Kaufhof-Filialen umgesetzt. An rund 100 Standorten ist der Name Kaufhof im Stadtbild präsent. Seit dem Jahr 2001 gehört auch INNO, die größte belgische Warenhaus-Kette, mit 15 Filialen in 12 Städten dazu, an der Spitze das 25.000 qm große Flaggschiff an der Rue Neuve in Brüssel.

Die heutige Karstadt Warenhaus GmbH  kann sogar mehrere Väter ihr eigen nennen. Zwei Jahre nach Leonhard Tietz hatte auch der gelernte Einzelhandelskaufmann Rudolph Karstadt die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstständigkeit. Und wieder zog es einen jungen Gründer in eine Hansestadt an der Ostsee, dorthin wo der Handel blühte. Am 14. Mai 1881 eröffnete der 25 Jahre junge Kaufmann in Wismar unter dem Namen seines spendablen und hilfreichen Vaters Christian sein erstes Geschäft in der Krämerstraße 4, das „ Manufactur-,Confections- und Tuchgeschäft C. Karstadt“. C. Karstadt hieß die Firma zudem, weil Rudolph noch zu jung war, um in Mecklenburg selbstständig zu sein. Die Grenze lag bei 30 Jahren. Zum 125-jährigen Jubiläum wurde das schmucke Traditionshaus umgebaut und mit neuem Glanz versehen.

1885 schließlich war es Textilkaufmann Theodor Althoff, der im westfälischen Dülmen im Alter von 27 Jahren ein „Kurz-, Weiß- und Wollwaarengeschäft“ von seiner verwitweten Mutter übernimmt. Bereits ein Jahr später eröffnet er seine erste Filiale in Rheine. 1920 erfolgt schließlich die Fusion mit Karstadt.

Die heute zu Karstadt gehörenden Hertie-Kaufhäuser gehen auf die Gründung von Oscar Tietz zurück, einem Bruder von Leonhard Tietz. Er eröffnete 1882 in dem damaligen Wollweberstädtchen Gera wie schon sein Bruder drei Jahre zuvor in Stralsund ein „Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weiß- und  Wollwarengeschäft“. Das Startkapital von 1000 Mark stellte ihm sein Onkel Hermann Tietz zur Verfügung. Zum Dank dafür verewigte Oscar den Namen seines Onkels als Firma des Unternehmens. Hermann leitete 1886 eine Filiale in Weimar. 1894 eröffnete Oscar Tietz in  München und Wertheim in Berlin fast zugleich die ersten Warenhäuser Deutschlands.

1926 übernahm „Herrmann Tietz“ die Berliner Warenhaus-Kette A. Jandorf, dessen prominenteste Filiale das KaDeWe war. Bei Jandorf war Georg Karg bereits Zentraleinkäufer Textil. Er stieg in der Karriereleiter nach oben und übernahm gegen Ende der dreißiger Jahre nach und nach alle Anteile von Hertie. Nach dem Krieg erwarb er 1952 für Hertie auch die Mehrheit an der Warenhaus Wertheim AG. Dessen Ursprung wiederum geht auf eine Gründung von Abraham Wertheim zurück, der zusammen mit seinem Bruder Theodor sein erstes „Manufactur- und Modewaaren-Geschäft“ in Stralsund, in einem winzigen Laden in der Nähe des Hafens, mit einer „Etablissements“-Anzeige stolz in der Tageszeitung verkündete. Man schrieb das Jahr 1852. An den Gründernamen erinnerte bis vor kurzem noch das knapp 30.000 qm große Warenhaus Wertheim am Kurfürstendamm und das Haus an der Berliner Schloßstraße, die im Jahr 2007 auf den Namen Karstadt umgestellt wurden.

Hertie und Karstadt gingen seit dem Jahr 1994 gemeinsame Wege. Heute kommt der Name Hertie als Logo für die ehemaligen Karstadt-Kompakt-Häuser der neuen britischen Besitzer, der Investorengruppe „Hilco“ und „Dawnay, Day“ zu neuen Ehren.

Karstadt hat insgesamt 122 Warenhäuser, darunter auch 32 Sporthäuser, sowie drei Luxus-Warenhäuser (KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München), die zur neu geschaffenen Karstadt Premium Group gehören.

Die Frequenzstärke der beiden großen Warenhaus-Unternehmen ist hoch: Täglich besuchen im Durchschnitt 2 Millionen Menschen die Galeria Kaufhof mit ihren 126 deutschen Filialen und 13 Sporthäusern mit dem Namen Sportarena. Hinzu kommen seit 2001 noch 15 Galeria-Inno-Filialen in Belgien.